Mit Cpt. "Sula" Dave staunend durch die Weiten des Alls

Ort: Hannover, "Swamp Room Happening" im etwas heruntergekommenen Chez Heinz, aber durchaus zu Recht eine Kultveranstaltung der "Untergrund Rocks" in Deutschland. Zeit: letztes Jahr, 2003, Pfingsten. Hier traf ich zum einem Dave Schmidt, allerdings nur sehr kurz, und zum anderem Jürgen aus Bitterfeld. Der war extra wegen dem "Mandra Gora Lightshow & Damo Suzuki" und "Liquid Visions" Auftritt den weiten Weg gekommen. Ich weiß, dass er sehr enttäuscht von der Location war und die Gigs nicht wirklich genießen konnte. Mir hat es damals ganz gut gefallen, bin vielleicht einfach wegen meiner "Legendary Pink Dots" Leidenschaft, die ich schon in so mancher Kaschemme gesehen habe, einiges gewöhnt, was "Auftrittsorte" betrifft. Woran ich mich jedoch auch noch gut erinnern kann, war die Überschwänglichkeit mit der er von den Dave Schmidt Projekten "Weltraumstaunen", "Sula Bassana" und "Zone Six" sprach. Ich musste damals leider passen, da ich gerade mal die "Hypnotized" von Liquid Vision kannte, die ich zwar hervorragend fand, aber mich nicht wirklich dazu gebracht hatte, weiter im Dunst der Liquids nach mehr zu forschen. Ein fataler Fehler, wie Ihr anhand meiner vielleicht sogar etwas überschwänglichen Plattenbesprechungen von Daves jüngsten beiden Veröffentlichungen erkennen werdet.
Aber es ist wirklich so: lange habe ich nicht mehr so fantastische Alben des Psych Genres gehört. Fantastisch vor allem deswegen, weil sie so modern und frisch klingen, und doch den Geist der End 60er Anfang 70er in sich tragen. Nach dem Track "Nervenlähmung" von der Dreamer CD zum Beispiel wartet man regelrecht auf das Einsetzen der Synthieklänge von Floyds "On the Run". Und so geht es bei beiden Alben, alles klingt so frisch und doch angenehm bekannt. Nirgendwo kommt einem dieses "klingt toll, aber irgendwie fast wie nachgespielt und ohne eigene Ideen", das man bei vielen anderen heutigen Bands aus den Genres Psych und Progrock hat, in den Sinn. Es raubt einem wirklich fast die Sinne, wie z.B. im Opener von Sula Bassana´s Dreamer die erdigen Drums den Song vorantreiben, die Gitarren gegen die Keyboardschleifen anschreien und sich gegenseitig in eine mittlere Ekstase treiben. "Sula Bassana", das Soloprojekt von Dave ist ganz deutlich elektronisch orientierter. Hier wird sehr viel mit Loops, Sounds und Programmierungen gearbeitet, über die dann herrliche Gitarrenschleife und Melodien oder auch mal Keyboardklänge gewoben werden. Bei vielen Sounds fragt man sich, wie diese wohl erzeugt wurden. "Weltraumwelt" klingt mehr nach einer Band, obwohl ja auch klar als Studioprojekt von den beiden Machern Dave Schmidt und Andi Heinrich definiert. Aber dieses 2. Album der Band klingt auch wesentlich elektronischer als der Erstling, und neben den Kompositionen ist es gerade diese elektronische Basis, die unter fast allen Songs liegt, die das Album so geschlossen wirken lässt. Man wird regelrecht durch das Album getrieben, besser gesagt, man kann sich hineinstürzen und treiben lassen. Aus den Webseiten der vielen Projekte von Dave (startet mal einfach bei http://www.sulabassana.de/ - von da aus gelangt Ihr auch zu allen anderen) lassen sich leider noch nicht so viele Fakten herauslesen, deshalb versuche ich mal, über folgendes kleines Interview, das ich via e-mail mit Dave geführt habe, etwas mehr Licht ins Dunkel zu bringen.

Als erstes möchte ich gerne wissen, was der Grund für Deinen Ausstieg bei Liquid Visions gewesen ist.

Dave: Ach, was soll ich sagen. Letztlich waren es mehrere Gründe. Nach über 8 Jahren hatte ich einfach mal wieder eine grundlegende Veränderung nötig. Das Verhältnis zwischen Aufwand der Shows und dem Spaßfaktor stimmte einfach nicht mehr und überhaupt, diese ganze Arbeit, die so eine komplexe Band mit sich bringt, ist einfach nicht weniger geworden. Da koche ich lieber ein kleineres Süppchen...

Es ist auffällig, wie viele verschiedene Instrumente Du in Deinen diversen Projekten spielst. Welche Instrumente beherrschst Du?

Dave: Naja, von beherrschen kann man bei den wenigsten Instrumenten sprechen, da bin ich eher selbstkritisch. Der Bass ist spieltechnisch sicher mein Instrument Nummer eins. Was ich auch gut beherrsche ist die Klangerzeugung von Synthesizern, und auch mein Studio beherrsche ich. Beim Schlagzeug werde ich gerade einigermaßen gut, weil ich jetzt wieder regelmäßig zum Spielen komme. Ansonsten kann ich der Gitarre interessante Klänge entlocken und Percussions (also Schlaginstrumente jeglicher Art) bekomme ich auch schnell in den Griff. Als Klangerzeuger, ohne großen virtuosen Anspruch, haben auch schon Sitar, Tamboura, Flöten und Orgeln herhalten müssen.

Auffällig ist, dass die neue Weltraumstaunen Platte insgesamt elektronischer geworden ist. Woran liegt das?

Dave: Das liegt bei solchen Projekten immer am gerade verfügbaren. Die neue Weltraumstaunen haben wir in Andis Proberaum aufgenommen, in dem ein altes Schlagzeug, ein klitzekleiner, alter Bassverstärker samt Schrottbass (sorry!), zwei kleine aber sehr feine Synthys, ein Bandecho und natürlich Andis schöner VOX-Verstärker und seine Gitarren standen. Darüber hinaus durften wir die riesige Farfisa-Orgel von Andis Freundin und ein Klavier, welches in einem Saal gegenüber Andis Wohnung steht, benutzen. In meinem Studio haben wir anschließend nur die Gesänge und ein paar Gitarren aufgenommen. Die elektronische Komponente liegt zu großen Teilen im Song "Farfisadelic", der mit seinen 14 Minuten natürlich einen beträchtlichen Teil der B-Seite einnimmt..

Insbesondere der Song "Farfisadelic" hätte meiner Meinung nach ebenfalls perfekt auf die Sula Bassana Platte "Dreamer" gepasst. Woran erkennst Du oder wonach legst du fest, welches Deiner Stücke zu welchem Projekt gehört?

Dave: Der Song ist einfach mal in den Weltraumstaunen-Sessions entstanden, also gehört er auch zu Weltraumstaunen.

Insgesamt klingt die Weltraumwelt etwas erdiger, rockorientierter, trotz aller eingesetzter Elektronik als die Sula Bassana Platte. Welche Gründe gibt es hierfür.

Dave: Das hat keine bewußte Ursache. Alles kommt so wie es kommt, da kann man planen soviel man will, oder es einfach sein lassen. Unsere Musik entsteht aus einer Emotion heraus. Wenn uns nach Synthys ist gibt es Synthys. Wenn nach erdigem Rock, gibt´s den.

Beide Platten klingen für mich sehr geschlossen in sich, haben nahezu "Konzeptalben" Charakter. Gibt es ein den Alben zu Grunde liegendes Grundthema?

Dave: Die Weltraumstaunen ist in einer intensiven Woche entstanden, das war nahezu das einzige Konzept und hat natürlich für eine gewisse Grundstimmung gesorgt. Das Sula Bassana Album brauchte Jahre zum Entstehen. Wenn Dir dabei nach einem Konzept ist, denk Dir ruhig eins aus!

Ich habe trotz der in der letzten Jahren ja wieder auflebenden Psychedelic-Musik kein Album gehört, was so gut wie die "Dreamer" aber auch die "Weltraumwelt" den Geist und die Intention der alten Psychedeliker so perfekt in die heutige Zeit holt. Viele andere Bands halten sich ja eher eng an den Originalen fest. Welches sind Deine wichtigsten Einflüsse und Inspirationen?

Dave: Erstmal vielen Dank für die netten Worte! Was die Einflüsse angeht, meinst Du jetzt Bands oder Erlebnisse? Ich sag mir ja nicht "ich will, dass der Song nach Pink Floyd klingt", sondern der Song entsteht einfach. Wenn er am Ende nach Pink Floyd klingt, dann sicherlich, weil ich die Musik liebe und schon wahnsinnig oft gehört hab. Aber bewußt passiert das nicht. Meine Musik ist ja viel zu unterschiedlich, um den Einfluß auf wenige Bands festzulegen. Und was ich gerne höre ist mitunter von der Intention so weit von meiner entfernt, dass es keinen wirklichen Einfluss auf meine Musik ausübt.

Insbesondere bei der Sula Bassana Platte aber auch bei den elektronischeren Sachen der "Weltraumwelt" höre ich bei den Programmings Keyboardssounds häufig starke Verwandtschaft zu den längeren und elektronischeren Sachen der "Legendary Pink Dots" heraus. Kennst Du die Dots? Würdest Du meine Aussage bestätigen können?

Dave: Ich habe leider noch nie bewusst etwas von denen gehört! Echt! Irgendwann meinte jemand zu mir "die sind ziemlich langweilig", und damit verlor sich mein Interesse für sie. Schade. Aber ich werd mir demnächst mal was von denen anhören. Übrigens, wo Du Programmings Keyboardssounds sagst: Bei der Weltraumstaunen ist nix programmiert, alles von Hand gespielt!

Unter was für Vorraussetzungen nimmst Du auf? Wie sind Deine technischen Möglichkeiten? Es klingt alles sehr professionell und nach guten Produktionsmöglichkeiten.

Dave: Die Weltraumstaunen ist unter denkbar schlechten Voraussetzungen entstanden. Meine Mikrofone kosten zusammen so viel wie ein einziges Studio-Mikro, außerdem haben wir mit einer eher schlechten Achtspurmaschine gearbeitet, die auf ganz normale Kompaktkassetten aufnimmt! Glücklicherweise paßt der dadurch entstandene altmodische Sound zur Musik. Mit einem richtigen Tonstudio ist das keineswegs vergleichbar. Entscheidend ist letztlich ein gutes Ohr für diese Art von Musik und ein wenig Einfühlungsvermögen. Abgefahrene Sounds und ein gutes Mischungsverhältnis sind mir wichtiger als ein professioneller Grundsound.

Wie entstehen die Sula Bassana Aufnahmen, bei denen Du ja wohl alles selbst eingespielt hast? Weist Du vorher schon genau, wie sich das Endprodukt anhören soll, oder entsteht vieles aus dem Probieren heraus?

Dave: Sowohl als auch. Manchmal hab ich einen kompletten Song im Kopf, mit tausend Einzelheiten, die ich genau so realisieren will. Und manchmal entsteht was durch Improvisation. Generell liebe ich die Improvisation, und ich räume ihr meistens viel Platz ein.

Zum Schluss noch ein paar Fragen um Deine Person. Wie lange machst Du schon Musik?

Dave: Meinen ersten Auftritt hatte ich Mitte der Achtziger als Synthyspieler in einem Elektronikduo namens Solaris. Was ich vorher gemacht habe, kann man kaum werten.

Mit welchem Instrument hast Du angefangen?

Dave: Mein allererstes Instrument war eine kleine EKO Orgel. Die hab ich etwa mit 10 bekommen. Danach gab es eine größere Orgel, dann einen kleinen Synthy und so weiter. Und nun komme ich kaum durch meine Wohnung ohne auf ein Instrument zu treten :-)

Arbeitest Du neben der Musik? Was bringt Dir Deine Kunst ein?

Dave: Ich bin hauptberuflich Tonmeister im Filmsynchron. Die Musik bringt fast nur Anerkennung. Von Geld kann man leider nicht wirklich sprechen. Aber ich hab jetzt ein kleines Label gegründet, auf dem die Dreamer CD erschienen ist, und eine kleine Mailorder (www.sulatron.com).

Kann man mal mit Liveauftritten von Sula Bassana oder Weltraumstaunen rechnen. Oder irgendeine andere Form der "Livedarbietung" Deines Materials?

Dave: Ich hatte mal ein paar kurze Soloauftritte, bei denen ich mit meiner Gitarre und vielen Effekten kleine Klanglandschaften gezeichnet hab, aber "mein Material" kann ich live nicht umsetzen. Beim Ersten dieser Gigs wurde ich anschließend von Andi und Walt (ehemaliger Nova Drive Schlagzeuger) unterstützt. Davon stammen die Bilder im Klappcover des Weltraumwelt-Albums. Aber es gibt jetzt wieder öfter Zone Six Konzerte! Das ist die Improvisations Band in der ich Bass spiele, aber das ist eine andere, lange Geschichte. Sei nur noch erwähnt, dass es sogar eine neue CD mit dem Titel "Any Noise is Intended" gibt, die sich richtig schön in die Gehörgänge zwirbelt.

Na, da wissen wir doch schon einiges mehr. Ich möchte mich an dieser Stelle nochmals recht herzlich bei Dave für das Interview bedanken. Ebenfalls muss ich natürlich auf alle Fälle auch noch erwähnen, das die Legendary Pink dots natürlich alles andere als langweilig sind. Aber das wäre eine andere Geschichte. Freuen wir uns zunächst mal über die Musik die im Kosmos des Captain Sula erschienen ist und freuen uns noch auf hoffentlich viele andere Veröffentlichungen in der Zukunft. Beam me up, Mr. Sula!

Wolfgang Kabsch für das Moonhead-Magazin (Juni 2004)

 

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